Schulpraxis und Schulforschung als Tandem: Responsivität in der dokumentarischen Evaluationsforschung
Prof. Dr. Barbara Asbrand & Melanie Schubsky
Der Vortrag stellt ein Konzept qualitativ-rekonstruktiver partizipativer Schulentwicklungsforschung vor, das sich in der wissenschaftlichen Begleitung von Versuchsschulen bewährt hat (Asbrand & Bietz 2019). Dabei werden Forschung und Schulentwicklung im Sinne der dokumentarischen Evaluationsforschung (Lamprecht 2012) als responsiver, diskursiver Austausch von Wissenschaft und Praxis gestaltet, in der die jeweilige Expertise von Forschenden und Praxisakteur:innen zur Geltung kommt: Die Wissenschaftler:innen agieren als Expert:innen für Forschung, die Praxisakteur:innen als Expert:innen für Schul- und Unterrichtsentwicklung. Die Zusammenarbeit kann als win-win-Situation für beide Seiten beschrieben werden. Während sich der Wissenschaft im Rahmen der Grundlagenforschung ein Feldzugang für empirische Studien der Schul- und Unterrichtsforschung erschließt, erhalten die Praxisakteur:innen Rückmeldungen zu Handlungsproblemen, die in der eigenen Schulpraxis aufgetreten sind. Die Forschung schließt dabei an vorhandene Praxiserfahrungen an, denn die Wissenschaftler:innen stellen in einer beratenden Rolle Rekonstruktionsergebnisse und Reflexionsimpulse zu Fragen zur Verfügung, die in der Praxis emergiert sind. Somit ist die Forschung anschlussfähig an die konkrete Schul- und Unterrichtspraxis. Für deren Weiterentwicklung sind die Praxisakteur:innen verantwortlich (vgl. Asbrand & Bietz 2019; Asbrand & Martens 2021). Im Vortrag wird die Vorgehensweise anhand eines Forschungsbeispiels erläutert.
Das vorgestellte Konzept wird ebenso in der partizipativen Schulentwicklungsforschung in LemaS-Transfer Anwendung finden. Die multiperspektivisch-längsschnittlich angelegte Forschung in LemaS-Transfer wird der Frage nach Gelingensbedingungen für den Transfer und dem Umgang mit Herausforderungen durch die Praxisakteur:innen nachgehen. Unter Berücksichtigung der Eigenlogik der einzelschulischen Systeme werden dafür Praktiken und Prozesse der Schulentwicklung im Schulalltag der Transfer-Schulen rekonstruiert, sodass Veränderung und Stagnation von Schulentwicklung erklärbar werden.
Literatur
Asbrand, B. & Bietz, C. (2019). Wissenschaftliche Begleitung und Versuchsschule. Was man aus der Evaluation schulischer Projekte über Schulentwicklung lernen kann. Die deutsche Schule 111/1, S. 78-90.
Asbrand, B. & Martens, M. (2021). Kollaboration von Wissenschaft und Schulpraxis: Zum Potenzial der dokumentarischen Evaluationsforschung für die Schul- und Unterrichtsentwicklung. In E. Zala-Mezö, J. Häbig, & N. Bremm (Hrsg.), Die Dokumentarische Methode in der Schulentwicklungsforschung (S. 217–236). Münster: Waxmann.
Lamprecht, J. (2012). Rekonstruktiv-responsive Evaluation in der Praxis. Neue Perspektiven dokumentarischer Evaluationsforschung. Wiesbaden: VS Verlag.
Prof. Dr. Barbara Asbrand hat eine Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Allgemeine Didaktik und Schulentwicklung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main inne. Ihre Arbeitsschwerpunkte umfassen neben qualitativ-rekonstruktiver Unterrichtsforschung und Forschungsmethoden (v.a. die Dokumentarische Methode und Videografieanalyse) die wissenschaftliche Begleitung von Reformschulen sowie die Verknüpfung von Schulforschung und Schulentwicklung. In dem durch das Bildungsministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbund „Leistung macht Schule – Transfer in die Schullandschaft (LemaS-Transfer) leitet sie das Regionalzentrum Mitte-West, ist in der Partizipativen Schulentwicklungsforschung engagiert und Mitglied der Steuergruppe.
Melanie Schubsky ist Projektmitarbeiterin in dem durch das Bildungsministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbund „Leistung macht Schule – Transfer in die Schullandschaft (LemaS-Transfer). Im Regionalzentrum Mitte-West widmet sie sich der partizipativen Schulentwicklungsforschung. Weitere Arbeitsschwerpunkte neben LemaS-Transfer umfassen rekonstruktive Forschungsmethoden (v.a. die Dokumentarische Methode) sowie Nachhilfeunterricht als eine die Nachhilfeschüler/-innen subjektivierende Praxis.