Ethische Aspekte des Einsatzes von künstlicher Intelligenz im Bildungsbereich und die Frage der Regulierung
Prof. Dr. Elisabeth Gräb-Schmidt
Der Einsatz von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz im Bildungsbereich wird gegenwärtig vorangetrieben, aber auch immer wieder kritisch hinterfragt. Bereits seit einigen Jahren hat der Digitalpakt Schule große Geldsummen investiert, um die Digitalisierung der Schulen zu unterstützen. Gleichwohl erübrigt sich durch den Einsatz solcher Mittel die Frage nach Gewinn und Verlust für die Bildung nicht. Um diese Rechnung überhaupt sinnvoll und angemessen aufstellen zu können, gilt es Ziel und Bedeutung der Bildung zu bestimmen, um Kriterien guter Bildung aufstellen zu können. In erster Linie gehören zu solchen Kriterien, die Erhaltung von Freiheit, von Urteils- und Entscheidungsvermögen des Menschen. An deren Erhaltung müssen sich auch Chancen und Risiken technologischer Errungenschaften messen lassen. Diese Kriterien sind auch an den Einsatz digitaler Tools anzulegen. Dienen diese dazu, jene Fähigkeiten zu erhalten? Können sie gegebenenfalls mittels des Einsatzes von KI sogar erweitert werden? Und wie können Sie möglichst diskriminierungsfrei allen Schülerinnen und Schülern zukommen?
Damit ist die Bildungsfrage generell vor dem Hintergrund des Bildungsziels des Menschen zur Person in seiner Freiheit und Verantwortungsfähigkeit zu betrachten. Jede Einführung neuer Technologien – und manche sprechen ja von der künstlichen Intelligenz und Digitalisierung von einer neuen Kulturtechnik – bedeutet immer einerseits Fortschritt, andererseits aber ist auch mit Verlust herkömmlicher Fähigkeiten zu rechnen (Deskilling). Damit ist Ethik immer auch ein Umgang, eine Umgangsschulung mit technischer Kreativität. Zu fragen ist dann, was als Verlust hinnehmbar ist und was nicht. Hier setzen Regulierungsfragen an. Wir werden nicht auf Ethik verzichten können, soll nicht ein technologischer Imperativ dem menschlichen Handeln die Freiheit austreiben oder soll nicht die Furcht vor Neuem die Chancen technischer Möglichkeiten verspielen. Dabei gilt es, gleichsam einem Kompass der Einschätzungen verantwortlich zu navigieren. Denn, indem der Einsatz von Technologien reguliert wird, machen wir einen Ausgriff auf zukünftige Entwicklungen, die nicht in Gänze vorauszusehen sind. Insofern müssen auch Regulierungen selbst immer auch als im Wandel begriffen gesehen werden. Über solche Regulierungen gilt es daher, interdisziplinäre und innergesellschaftliche Debatten zu führen, um dem Ziel der Bildung, das der Personbildung, der Demokratiefähigkeit und Verantwortungsfähigkeit des Menschen im Bildungssektor gerecht werden und bleiben können soll.
Prof. Dr. Elisabeth Gräb-Schmidt ist in Tübingen Professorin für Systematische Theologie mit dem Schwerpunkt Ethik an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
Seit 2013 ist sie Mitglied in der Zentralen Ethikkomission der Bundesärztekammer und von 2015 bis 2021 war sie Mitglied in der Senatskommission der DFG für Grundsatzfragen der gentechnologischen Forschung. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Grundlegungsfragen der Ethik, der Wissenschafts-, Technik- und Bioethik, der Dialog von Naturwissenschaft und Theologie, Religionstheorie und der interreligiöser Dialog, sowie Kulturhermeneutik und Lebensphilosophie. Elisabeth Gräb-Schmidt ist Mitglied zahlreicher gesellschaftlicher und kirchlicher Gremien und Kammern. 2018 wurde sie in den Deutschen Ethikrat berufen.
Sie ist Trägerin verschiedener Auszeichnungen, wie dem Preis der „course competition on Unlimited Love“ des Instituts for Research on Unlimited Love, Altruism and Compassion, Stony Brook NY, dem „Service für interdisziplinäre Lehre im Dialog Naturwissenschaft / Theologie“ und dem „Fellow am Max-Weber-Kolleg für Kultur- und Sozialwissenschaftliche Studien“ (2013 und 2016/17). Seit 2023 ist sie Mitglied im Advisory Board des europäischen Forschungsnetzwerks RESILENCE for religious studies. Zu ihren Publikationen gehören mannigfaltige Bücher, Aufsätze und Artikel. Des Weiteren gehören diesbezüglich auch Herausgeberschaften der „Zeitschrift für Theologie und Kirche (ZThK)“, sowie der Zeitschrift für medizinische Ethik (ZfmE).
Die Hauptvorträge 2024
Equity in Education: A Talent Development Perspective
Prof. Dr. Frank C. Worrell: A talent development approach is premised on several tenets: (a) providing an appropriate education to all students; (b) ensuring that all students have the opportunity to move up to the next level; and (c) recognizing that academic growth is not linear. Using the talent development megamodel as a framework, this presentation will highlight why equity in education and gifted education are not incompatible.
Der Vortrag findet am 19.09.2024 (09:00 – 10:15) statt.
Prof. Dr. Elisabeth Gräb-Schmidt: Jede Einführung neuer Technologien – und manche sprechen ja von der künstlichen Intelligenz und Digitalisierung von einer neuen Kulturtechnik – bedeutet immer einerseits Fortschritt, andererseits aber ist auch mit Verlust herkömmlicher Fähigkeiten zu rechnen (Deskilling). Damit ist Ethik immer auch ein Umgang, eine Umgangsschulung mit technischer Kreativität.
Der Vortrag findet am 21.09.2024 (09:00 – 10:15) statt.
Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani: Der Vortrag zeigt zunächst, dass Kindheit und Jugend am stärksten von gesellschaftlichen Veränderungen und Konfliktfeldern betroffen sind – paradoxerweise aufgrund der alternden Gesellschaft.
Der Vortrag findet am 18.09.2024 (16:00 – 17:30) statt.
Vier Dimensionen der Schultransformation durch Deeper Learning: Zeit, Raum, Team und Assessment
Prof. Dr. phil. Anne Sliwka: Deeper Learning fungiert als Motor für die zeitgemäße Transformation von Schulen. Diese Transformation bezieht sich auf vier Schlüsseldimensionen: Zeit, Raum, Team und Assessment. Zeitlich betrachtet, schaffen Schulen neuartige Rahmenbedingungen für Unterrichtsphasen, die Wissensaneignung, Ko-Konstruktion und authentische Leistungen integrieren.
Der Vortrag findet am 20.09.2024 (09:00 – 10:15) statt.